text:tirana_23
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text:tirana_23 [2024/06/13 19:46] – [Gibt es den „Westen" in Albanien?] admin | text:tirana_23 [2024/06/13 20:05] (aktuell) – [Ein Ausblick: die Vjosa] admin | ||
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- | Während des gestrigen Abendessens entwickelte sich am Tisch mir gegenüber ein Gespräch zwischen Mitreisenden. Eine Frau aus Polen, seit 6 Jahren in Deutschland, | + | Während des gestrigen Abendessens entwickelte sich am Tisch mir gegenüber ein Gespräch zwischen Mitreisenden. Eine Frau aus Polen, seit sechs Jahren in Deutschland, |
- | {{ : | + | Im Gespräch zwischen den beiden ist eine Sehnsucht nach dem, was ich für diese Reise den „Westen" |
- | Im Gespräch zwischen den beiden ist eine Sehnsucht nach dem, was ich für diese Reise den " | + | Die Polin ist fassungslos darüber, dass ihre Landsleute sich anders verhalten. Als ob diese sich selbst eine schwer erkämpfte Freiheit wieder verweigern würden. Wie in einem unverständlichen masochistischen Anfall. |
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- | Die Polin ist fassungslos darüber, dass ihre Landsleute sich anders verhalten. Als ob diese sich selbst eine schwer erkämpfte Freiheit wieder verweigern würden. Wie in einem unverständlichen masochistischen | + | |
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- | Ich erkenne „meinen Westen“ in der Sehnsucht der beiden Frauen. Aber ich habe einen Zweifel. Ich finde das Ideal des „Westes“ umfasst auch ein Verständnis für den menschlichen Wunsch nach Ordnug, Sicherheit und Bewahrung der Traditionen. Ich merke, für mich gehört zum „Westen“ nicht nur die unbedingte Freiheit von aller Fremdbestimmtheit, | + | |
+ | Ich erkenne „meinen Westen“ in der Sehnsucht der beiden Frauen. Aber ich habe einen Zweifel. Ich finde das Ideal des „Westens“ umfasst auch ein Verständnis für den menschlichen Wunsch nach Ordnung, Sicherheit und Bewahrung der Traditionen. Ich merke, für mich gehört zum „Westen“ nicht nur die unbedingte Freiheit von aller Fremdbestimmtheit, | ||
===== Der Umbau von Stadt und Staat - ein erster Kontakt ===== | ===== Der Umbau von Stadt und Staat - ein erster Kontakt ===== | ||
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//18. September, Tirana// | //18. September, Tirana// | ||
- | In Tirana wird gebaut. Der alte Stadtkern wird zur Seite gedrängt von ehrgeizigen, | + | In Tirana wird gebaut. Der alte Stadtkern wird zur Seite gedrängt von ehrgeizigen, |
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- | Man muss sich das Albanien der Hoxha-Zeit wie ein Nordkorea in Europa vorstellen, so wird der Bürgermeister der Stadt zitiert. Es gab kein Privateigentum, | + | Man muss sich das Albanien der Hoxha-Zeit wie ein Nordkorea in Europa vorstellen, so wird der Bürgermeister der Stadt zitiert. Es gab kein Privateigentum, |
- | In der Demokratie dauert alles lange und Albanien hat keine Zeit. Dem Kapitalismus | + | In der Demokratie dauert alles lange, und Albanien hat keine Zeit. Dem Kapitalismus |
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- | Albanien ist ein altes Land und ein altes Volk mit einer alten Sprache und Kultur. Alles reicht zurück bis in die Vorzeiten Europas, lange bevor im nahen Griechenland die Demokratie erfunden wurde. Wie die Armenier im Kakasus | + | Albanien ist ein altes Land und ein altes Volk mit einer alten Sprache und Kultur. Alles reicht zurück bis in die Vorzeiten Europas, lange bevor im nahen Griechenland die Demokratie erfunden wurde. Wie die Armenier*innen |
Alt und eigen, unterdrückt und gedemütigt, | Alt und eigen, unterdrückt und gedemütigt, | ||
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- | Jorida Tabaku von der Demokratischen Partei und Vorsitzende des parlamentarischen Ausschusses für die europäische Integration hat sich für uns Zeit genommen. Sie gehört zur Opposition gegen die regierende Sozialistische Partei. Aber in dem Punkt des EU-Beitritts sind sich die albanischen Parteien gemeinsam mit der Zivilgesellschaft einig. Es gibt 15 Schlüsselkriterien der EU, für die die Erfassung des Statut | + | Jorida Tabaku von der Demokratischen Partei und Vorsitzende des parlamentarischen Ausschusses für die europäische Integration hat sich für uns Zeit genommen. Sie gehört zur Opposition gegen die regierende Sozialistische Partei. Aber in dem Punkt des EU-Beitritts sind sich die albanischen Parteien gemeinsam mit der Zivilgesellschaft einig. Es gibt 15 Schlüsselkriterien der EU, für die die Erfassung des Status |
Deutschland engagiert sich seit Jahren sehr in der Vorbereitung der EU-Erweiterung im Balkan. Auf der politischen Ebene, aber auch mit vielen konkreten Entwicklungsprojekten, | Deutschland engagiert sich seit Jahren sehr in der Vorbereitung der EU-Erweiterung im Balkan. Auf der politischen Ebene, aber auch mit vielen konkreten Entwicklungsprojekten, | ||
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//19 September, in den Bergen vor Tirana// | //19 September, in den Bergen vor Tirana// | ||
- | Doch am Abend wird Fatos Lubonja, ein Journalist, Autor und Menschenrechtsaktivist, | + | Doch am Abend wird Fatos Lubonja, ein Journalist, Autor und Menschenrechtsaktivist, |
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- | Das, was er die postdemokratische Gesellschaft der monopolaren Oligarchen nennt, treibt ihn um. Für ihn ist die Hoffnung auf eine demokratische Entwicklung Albaniens und des gesamten ehemaligen Ostblocks in dem Moment gescheitert, | + | Das, was er die postdemokratische Gesellschaft der monopolaren Oligarchen nennt, treibt ihn um. Für ihn war die Hoffnung auf eine demokratische Entwicklung Albaniens und des gesamten ehemaligen Ostblocks in dem Moment gescheitert, |
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- | Fatos Lubonja hat das Regime Hoxhas überlebt, war einer der letzten, die vor Ausrufung der Republik 1991 aus den Gefängnissen und Arbeitslagern frei kamen. Die kommunistische Diktatur Hoxhas war eine Zeit paranoider Willkür, in der nach und nach alle Freundschaftsbande zu den anderen kommunistischen Staaten zerbrochen wurden. Enver Hoxha hat die Entstalinisierung der Sowjetunion nicht mitgetragen, | + | Fatos Lubonja hat das Regime Hoxhas überlebt, war einer der letzten, die vor Ausrufung der Republik 1991 aus den Gefängnissen und Arbeitslagern frei kamen. Die kommunistische Diktatur Hoxhas war eine Zeit paranoider Willkür, in der nach und nach alle Freundschaftsbande zu den anderen kommunistischen Staaten zerbrochen wurden. Enver Hoxha hat die Entstalinisierung der Sowjetunion nicht mitgetragen, |
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- | Dann geht es wieder zurück nach Tirana. In der Peripherie der Stadt liegen die Industriegebiete. Langsam verlagerte sich der Schwerpunkt der albanischen Wirtschaft von der Landwirtschaft zur Industrie und von dort hin zur Dienstleistung in Industrie und Immobilienbranche. Nach 1991, als auch die schwierige Transformation Albaniens hin zu einer Demokratie begann. Privatbesitz hatte es in der Hoxha-Zeit nicht gegeben. Tirana ist bis in die Randgebiete geprägt von illegaler, aber lange aber geduldeter Bebauung. Besonders nach 2001 zogen viele zweitgeborene Söhne vom Land nach Tirana und bauten sich irgendwo eine Bleibe. So konnten die Familien auf dem Land sich versorgen. Erst später wurden die Besitzverhältnisse der enteigneten Liegenschaften aus dem Kommunismus wieder weitgehend geklärt. Man kann sich vorstellen, was für eine komplizierte und riesige Aufgabe das war. | + | Dann geht es wieder zurück nach Tirana. In der Peripherie der Stadt liegen die Industriegebiete. Langsam verlagerte sich der Schwerpunkt der albanischen Wirtschaft von der Landwirtschaft zur Industrie und von dort hin zur Dienstleistung in Industrie und Immobilienbranche. Nach 1991, als auch die schwierige Transformation Albaniens hin zu einer Demokratie begann. Privatbesitz hatte es in der Hoxha-Zeit nicht gegeben. Tirana ist bis in die Randgebiete geprägt von illegaler, aber lange geduldeter Bebauung. Besonders nach 2001 zogen viele zweitgeborene Söhne vom Land nach Tirana und bauten sich irgendwo eine Bleibe. So konnten |
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- | Heute sind viele der jungen Männer im Ausland, versorgen aber wie damals ihre Familien | + | Heute sind viele der jungen Männer im Ausland, versorgen aber wie damals ihre Familien |
===== Berufsschule ===== | ===== Berufsschule ===== | ||
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- | An der Berufsschule in Kamza/ | + | An der Berufsschule in Kamza/ |
- | Heute ist die Schule für alle Albaner*innen gebührenfrei, | + | Heute ist die Schule für alle Albaner*innen gebührenfrei, |
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- | 1996 gründete der als Agrarminister zurück getretene Insektenforscher Rexhep Uka mit seinem Sohn Flori einen radikal ökologischen Bauernhof in der Nähe von Tirana. Wir treffen Flori Uka auf einer Führung über das Gelände und erfahren viel über seine Philosophie naturbelassener Landwirtschaft. Er vertritt sie mit prophetischem Eifer. Seit 2006 produziert die Uka-Farm auch einen Wein, der internationale Aufmerksamkeit erregt. Die an Maulbeerbäumen wachsende Ceruja-Traube sei die Urform des europäischen Weines und würde in Albanien schon seit 4000 Jahren gekeltert werden. Wir trinken und essen im Hof-Restaurant von den wirklich köstlichen Produkten. | + | 1996 gründete der als Agrarminister zurück getretene Insektenforscher Rexhep Uka mit seinem Sohn Flori einen radikal ökologischen Bauernhof in der Nähe von Tirana. Wir treffen Flori Uka auf einer Führung über das Gelände und erfahren viel über seine Philosophie naturbelassener Landwirtschaft. Er vertritt sie mit prophetischem Eifer. Seit 2006 produziert die Uka-Farm auch einen Wein, der internationale Aufmerksamkeit erregt. Die an Maulbeerbäumen wachsende Ceruja-Traube sei die Urform des europäischen Weines und würde in Albanien schon seit 4.000 Jahren gekeltert werden. Wir trinken und essen im Hof-Restaurant von den wirklich köstlichen Produkten. |
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Zur Begegnung mit Flori, dem selbstgewiss versponnenen Visionär könnte es kaum einen größeren Kontrast geben als die kühle Nüchternheit des Vertreters aus der 70-köpfigen Delegation der EU-Kommission in Albanien, den wir danach treffen. | Zur Begegnung mit Flori, dem selbstgewiss versponnenen Visionär könnte es kaum einen größeren Kontrast geben als die kühle Nüchternheit des Vertreters aus der 70-köpfigen Delegation der EU-Kommission in Albanien, den wir danach treffen. | ||
- | 2009 bewarb sich Albanien für einen Beitritt in die EU, erreichte 2014 Kandidatenstatus und seit 2022 wird nun verhandelt. 90-97% Zustimmung in der Bevölkerung gäbe es dafür, noch lieber würde man den Vereinigten Staaten von Amerika beitreten, aber das ginge ja nun mal nicht. Zusammen mit anderen Ländern des Westbalkan ging der Beitrittsprozess nur schleppend voran, alles ist verflochten und kompliziert, | + | 2009 bewarb sich Albanien für einen Beitritt in die EU, erreichte 2014 Kandidatenstatus und seit 2022 wird nun verhandelt. 90-97% Zustimmung in der Bevölkerung gäbe es dafür, noch lieber würde man den Vereinigten Staaten von Amerika beitreten, aber das ginge ja nun mal nicht. Zusammen mit anderen Ländern des Westbalkan ging der Beitrittsprozess nur schleppend voran, alles ist verflochten und kompliziert, |
- | Die Mitarbeiter der EU-Kommission in Albanien berichten nach Brüssel über die Fortschritte der Angleichung Albaniens an die Strukturen der EU. Die Justizreform ist aus Sicht der Kommission eine Revolution. Selten habe sich die Kommission so sehr in einem Beitrittsland engagiert wie in Albanien und mit dieser Reform. Die Prozesse zur Ernennung von Richtern | + | Die Mitarbeiter*innen |
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- | Eine Kennerin der Szene von NGOs in Albanien erklärt uns: „In der Demokratie ist die Zivilgesellschaft der Kanal zwischen den Bürger*innen und der Regierung. Beide dienen der Öffentlichkeit, | + | Eine Kennerin der Szene von NGOs in Albanien erklärt uns: „In der Demokratie ist die Zivilgesellschaft der Kanal zwischen den Bürger*innen und der Regierung. Beide dienen der Öffentlichkeit, |
- | Nominell gäbe es in Albanien keine Hindernisse für Nichtregierungsorganisationen. Es gäbe viele Hundert davon und es gäbe auch viel Geld von Geldgebern. Die größten davon wären die EU und Staaten wie Deutschland, | + | Nominell gäbe es in Albanien keine Hindernisse für Nichtregierungsorganisationen. Es gäbe viele Hundert davon und es gäbe auch viel Geld von Geldgeber*innen. Die größten davon wären die EU und Staaten wie Deutschland, |
- | Aber: eine NGO, die nicht mit der Regierung übereinstimmt, | + | Aber: Eine NGO, die nicht mit der Regierung übereinstimmt, |
- | So würde derzeit in Albanien jede wirkliche Regung der Zivilgesellschaft im Keim erstickt: Ihre Akteur*innen haben von Beginn an einen enormen Aufwand, werden von der Bürgerschaft nicht gesehen oder unterstützt und sie haben keine Erfolge, sondern nur Steine im Weg. Es gäbe trotzdem immer wieder idealistische Projekte, aber die allermeisten ihrer Betreiber*innen würden irgendwann müde und gäben auf. Oder sie müssten zusehen, wie ihre NGO durch eine GONGO ersetzt wird, eine „Regierungs-Nichtregierungsorganisation“ mit den selben Themen | + | So würde derzeit in Albanien jede wirkliche Regung der Zivilgesellschaft im Keim erstickt: Ihre Akteur*innen haben von Beginn an einen enormen Aufwand, werden von der Bürgerschaft nicht gesehen oder unterstützt und sie haben keine Erfolge, sondern nur Steine im Weg. Es gäbe trotzdem immer wieder idealistische Projekte, aber die allermeisten ihrer Betreiber*innen würden irgendwann müde und gäben auf. Oder sie müssten zusehen, wie ihre NGO durch eine GONGO ersetzt wird, eine „Regierungs-Nichtregierungsorganisation“ mit den selben Themen |
Alba Broika, die uns das erzählt, wirkt trotzdem ungebrochen und kampflustig. Sie beeindruckt unsere gesamte Reisegruppe sehr damit, nachdem wir zuvor schon ihre klaren Analysen und Beschreibungen bewundert haben. | Alba Broika, die uns das erzählt, wirkt trotzdem ungebrochen und kampflustig. Sie beeindruckt unsere gesamte Reisegruppe sehr damit, nachdem wir zuvor schon ihre klaren Analysen und Beschreibungen bewundert haben. | ||
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//22. September, Tirana (Innospace)// | //22. September, Tirana (Innospace)// | ||
- | Am letzten Tag vor der Abreise erfahren wir doch noch von einem sehr gelungenen Projekt aus der Zivilgesellschaft. Olsi Nica von ECO Albania beschreibt uns, wie es gelang den Fluss Vjosa davor zu bewahren, durch 45 Staudämme aus dem längsten frei fließenden | + | Am letzten Tag vor der Abreise erfahren wir doch noch von einem sehr gelungenen Projekt aus der Zivilgesellschaft. Olsi Nica von ECO Albania beschreibt uns wie es gelang, den Fluss Vjosa davor zu bewahren, durch 45 Staudämme aus dem längsten frei fließenden |
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- | | + | * Sammlung der Daten. Es wurde nachgewiesen, |
* Diese Daten wurden über viele Kanäle in Albanien und im Ausland kommuniziert. | * Diese Daten wurden über viele Kanäle in Albanien und im Ausland kommuniziert. | ||
* Viele internationale Forscher*innen schlossen sich dem Projekt an. | * Viele internationale Forscher*innen schlossen sich dem Projekt an. | ||
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* Es gab Medienunterstützung durch eine umfassende Pressearbeit. | * Es gab Medienunterstützung durch eine umfassende Pressearbeit. | ||
- | Heute setzen | + | Heute setzen |
Nebenbei ist in vielen Kooperationen eine europaweite Vernetzung von Forscher*innen entstanden, die weiterhin Bestand haben wird. Inzwischen setzt sich der albanische Staat an die Spitze derer, die diesen wunderbaren Nationalpark angeblich schon immer gewollt und angestoßen haben. In Wirklichkeit konnten die Regierung und die Industrie von der Zivilgesellschaft zum Umdenken gezwungen werden, und darin liegt ein Moment der Hoffnung für die Menschen in Albanien. Auch wenn es anscheinend völlig einsam ist, dieses Vorbild. | Nebenbei ist in vielen Kooperationen eine europaweite Vernetzung von Forscher*innen entstanden, die weiterhin Bestand haben wird. Inzwischen setzt sich der albanische Staat an die Spitze derer, die diesen wunderbaren Nationalpark angeblich schon immer gewollt und angestoßen haben. In Wirklichkeit konnten die Regierung und die Industrie von der Zivilgesellschaft zum Umdenken gezwungen werden, und darin liegt ein Moment der Hoffnung für die Menschen in Albanien. Auch wenn es anscheinend völlig einsam ist, dieses Vorbild. | ||
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//22. September, Tirana (Innospace)// | //22. September, Tirana (Innospace)// | ||
- | Besar Likmeta von BIRN Albania, einer NGO die sich auf investigative Berichterstattung und Medienbeobachtung spezialisiert hat, breitet zum Abschluss ein düsteres Bild der Realitäten in Albanien vor uns aus. | + | Besar Likmeta von BIRN Albania, einer NGO, die sich auf investigative Berichterstattung und Medienbeobachtung spezialisiert hat, breitet zum Abschluss ein düsteres Bild der Realitäten in Albanien vor uns aus. |
Zwar gäbe es Gesetze zum Schutz der Pressefreiheit, | Zwar gäbe es Gesetze zum Schutz der Pressefreiheit, | ||
- | Die scheinbar vielfältigen Medien seien in Wirklichkeit bei zwei Oligarchen-Familien monopolisiert. Berichtet wird das, was Geld bringt oder die Interessen der Oligarchen anders unterstützt. Die boomenden Online-Medien seien da, wo sie Bedeutung haben, noch schlimmer. Vielleicht kontrolliere Meta (Facebook und Instagram) in Dublin manche Netzeinträge auf Falschmeldungen und Hatespeach | + | Die scheinbar vielfältigen Medien seien in Wirklichkeit bei zwei Oligarchen-Familien monopolisiert. Berichtet wird das, was Geld bringt oder die Interessen der Oligarchen anders unterstützt. Die boomenden Online-Medien seien da, wo sie Bedeutung haben, noch schlimmer. Vielleicht kontrolliere Meta (Facebook und Instagram) in Dublin manche Netzeinträge auf Falschmeldungen und Hatespeach |
Die Öffentlichkeit sei keine freien Medien gewöhnt, im Kommunismus waren die Medien ein reines Propaganda-Instrument. Das seien sie auch heute noch, aber aus Unerfahrenheit bemerkten das nur wenige. Zum Beispiel, dass es zu heiklen Themen keine journalistischen Berichte gäbe, sondern nur über alle Plattformen hinweg gleich-lautende PR-Produkte. | Die Öffentlichkeit sei keine freien Medien gewöhnt, im Kommunismus waren die Medien ein reines Propaganda-Instrument. Das seien sie auch heute noch, aber aus Unerfahrenheit bemerkten das nur wenige. Zum Beispiel, dass es zu heiklen Themen keine journalistischen Berichte gäbe, sondern nur über alle Plattformen hinweg gleich-lautende PR-Produkte. | ||
- | Der Premierminister Rama hat auf einer Pressekonferenz einem Journalisten die Umerziehung angedroht, aber das sei in Albanien kein Skandal, nur ausserhalb. Wenn überhaupt, denn ausländischen | + | Der Premierminister Rama hat auf einer Pressekonferenz einem Journalisten die Umerziehung angedroht, aber das sei in Albanien kein Skandal, nur außerhalb. Wenn überhaupt, denn ausländische |
- | Zwar schrieben die EU-Delegationen Berichte über den Angleichungsprozess der albanischen Gesetzgebung an EU-Normen, aber sie berichteten nicht über die Umsetzung dieser Gesetze. Immerhin: | + | Zwar schrieben die EU-Delegationen Berichte über den Angleichungsprozess der albanischen Gesetzgebung an EU-Normen, aber sie berichteten nicht über die Umsetzung dieser Gesetze. Immerhin: |
- | Aber das Argument, dass durch die Justizreform den Gesetzen vielleicht zukünftig mehr Geltung verschafft werden würde, lässt der Journalist nicht gelten. Man habe bis vor einigen Jahren geglaubt, dass Albanien gute Journalisten | + | Aber das Argument, dass durch die Justizreform den Gesetzen vielleicht zukünftig mehr Geltung verschafft werden würde, lässt der Journalist nicht gelten. Man habe bis vor einigen Jahren geglaubt, dass Albanien gute Journalist*innen |
„Ob es denn nicht doch noch irgendwo die Möglichkeit von Lichtblicken gäbe?“ versuchen wir es aus der Reisegruppe heraus mit einigen Fragen. Seine Antwort ist jeweils kurz: „Nein“. | „Ob es denn nicht doch noch irgendwo die Möglichkeit von Lichtblicken gäbe?“ versuchen wir es aus der Reisegruppe heraus mit einigen Fragen. Seine Antwort ist jeweils kurz: „Nein“. | ||
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Es gibt in Tirana sehr viele Cafés, überhaupt ist die Lebensart und Freundlichkeit der Menschen hier so, dass ich mich sofort wohl und eingeladen fühle. Doris und ich haben noch etwas Zeit, bevor wir zum Flughafen müssen, in einem Café machen wir eine Zufallsbekanntschaft. | Es gibt in Tirana sehr viele Cafés, überhaupt ist die Lebensart und Freundlichkeit der Menschen hier so, dass ich mich sofort wohl und eingeladen fühle. Doris und ich haben noch etwas Zeit, bevor wir zum Flughafen müssen, in einem Café machen wir eine Zufallsbekanntschaft. | ||
- | Die Frau ist und bleibt Zivilgesellschaft, | + | Die Frau erklärt |
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//23. September, auf der Rückreise// | //23. September, auf der Rückreise// | ||
- | Den Pessimismus von Fatos Lubonja habe ich noch wiederholt gesehen bei anderen Menschen auf dieser Reise in Albanien. Das Vertrauen in die öffentlichen Institutionen ist aufgebraucht oder war noch nie vorhanden. Die Erwartungen an die Demokratie sind gering, für Fatos sind sie, so glaube ich, nur noch nostalgische Floskeln. Bloße Feigenblätter in einer globalen gesellschaftlichen Realität, die die „Demokratie“ | + | Den Pessimismus von Fatos Lubonja habe ich noch wiederholt gesehen bei anderen Menschen auf dieser Reise in Albanien. Das Vertrauen in die öffentlichen Institutionen ist aufgebraucht oder war noch nie vorhanden. Die Erwartungen an die Demokratie sind gering, für Fatos sind sie, so glaube ich, nur noch nostalgische Floskeln. Bloße Feigenblätter in einer globalen gesellschaftlichen Realität, die die „Demokratie“ |
Rückkehrend zu meiner Ausgangsfrage überlege ich, in welchem Verhältnis ich meine Vorstellung des Westens nun zu Albanien sehe: | Rückkehrend zu meiner Ausgangsfrage überlege ich, in welchem Verhältnis ich meine Vorstellung des Westens nun zu Albanien sehe: | ||
- | Es gibt hier ein Verlangen nach der westlichen Subsidiaritäts-Gesellschaft, | + | Es gibt hier ein Verlangen nach der westlichen Subsidiaritäts-Gesellschaft, |
===== Ein Ausblick: die Vjosa ===== | ===== Ein Ausblick: die Vjosa ===== | ||
//25. September, Mainz// | //25. September, Mainz// | ||
- | In vielen Windungen schlängelt sich der Fluss durch Albaniens neu entstehenden Nationalpark. 70 Fischarten sind und bleiben hier heimisch, das sind 30% von denen, die es überhaupt gibt in Europas Süßgewässern. | + | In vielen Windungen schlängelt sich der Fluss durch Albaniens neu entstehenden Nationalpark. 70 Fischarten sind und bleiben hier heimisch, das sind 30% von denen, die es überhaupt gibt in Europas Süßgewässern. |
- | Ich möchte die Vjosa durch meinen | + | Ich möchte die Vjosa durch meinen |
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