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resonanzraeume:resonanzraum_25-014

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Zimmer 14 — Das Gespräch, das beinahe nicht begonnen hätte

In einer kleinen Stadt in Nordungarn, irgendwo zwischen den Hügeln von Zemplén, leben Tamás und Laszlo. Tamás arbeitet als Archivar im Stadtmuseum: alte Karten, staubige Bücher, Geschichten, die niemand mehr erzählt. Laszlo führt ein kleines Ingenieurbüro — solide, erfolgreich, wortkarg. Ihre Wege kreuzen sich selten. Doch tragen beide ein ähnliches Unbehagen in sich, für das sie kein Wort haben. Es ist nicht nur Politik. Nicht nur die lauten Stimmen aus dem Radio. Es ist das ständige Auf-der-Hut-Sein. Wie leicht trifft ein Satz heute einen falschen Ton. Wie viel von dem, was man denkt, darf man sagen? An einem Samstagnachmittag treffen sie sich zufällig in einer Kunstausstellung. Auf einem Bildschirm läuft ein Wandelbild: Ölfarben, die sich übereinander legen, fließende Übergänge, Farben, die hintereinander gleiten — ohne festen Anfang, ohne klares Ende. Sie stehen nebeneinander. Schweigend. Dann sagt Tamás, mehr in den Raum als zu Laszlo: „Es weiß nicht, wo es beginnt – und strahlt doch Ruhe aus.“ Laszlo nickt, nach kurzem Zögern: „Vielleicht ist es das, was uns fehlt.“ Sie sprechen weiter. Über Farben, Linien, Übergänge. Über das Stehenbleiben vor dem sich wandelnden Bild. Nicht über Politik. Nicht über Herkunft. Und für einen Moment geschieht etwas. Nicht Einigkeit. Nicht Übereinstimmung. Nur das Gefühl, beieinander bleiben zu können — ohne Urteil. Als sie gehen, bleiben ihre Wege getrennt. Doch sie tragen eine leise Freude mit sich: Man kann sich begegnen. Immer noch.

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