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Im Osten des Westens: Vorwort und Danksagung

Im Jahr 2016 entschieden sich die Briten für den Austritt aus der EU, kurz darauf wählten die US-Amerikaner Donald Trump zu ihrem Präsidenten. Beides hatte ich nicht für möglich gehalten. Meine Sicht der Welt war offenbar falsch gewesen, und ich fragte mich, ob das noch in anderen Bereichen der Fall ist. Ich dachte an Europa, an mein friedliches Paradies von Wohlstand und Freizügigkeit. War es vielleicht viel bedrohter und schutzbedürftiger als ich mir klar gemacht hatte? In Großbritannien und in den USA gingen nach den jeweiligen Wahlen sehr viele junge Menschen auf die Straße und demonstrierten. Sie wollten der Welt und sich selbst zeigen, dass sie nicht zustimmten zu Brexit oder Trump. Aber es war zu spät. Einfach zu spät. Würde es vielleicht auch für Europa bald zu spät sein?

Im Nachdenken über Europa fiel mir auf, wie wenig ich über die jüngeren Mitglieder der Europäischen Union im Osten wusste. Ungarn und Polen zum Beispiel waren mir regelrecht unheimlich. Aber wenn ich versuchte, mir darüber Rechenschaft zu geben, fand ich in mir selbst hauptsächlich Klischees und einseitige Betrachtungsweisen. Ich meinte irgendwie zu wissen, was Ungarn für „uns“ ist, hatte aber keine Ahnung, was „wir“ für Ungarn sind. Oder wie Ungarn sich selbst sieht. Und was ist überhaupt „Wir“ und „Uns“? Sind wir nicht gemeinsam Bürgerinnen und Bürger der EU? Sollte das nicht mein „Wir“ sein und mein „Uns“? Aber das war es wohl nicht – und ich hatte es nicht mal selbst bemerkt.

Meine Frau Doris und ich machten uns deshalb auf den Weg und unternahmen eine Bildungsreise nach Budapest. Um in Ungarn auf Ungarn zu schauen – und aus Ungarn heraus auf Europa. Beruflich hatte ich gerade eines meiner langjährigen Kunst-Projekte abgeschlossen und war auf der Suche nach einem neuen Thema. Doris brachte mich auf die Idee, dass dies die „Visegrád-4-Gruppe“ sein könnte. So hieß das Projekt „Der Osten des Westens“ zuerst. Neben vielem, sehr vielem anderen danke ich dir dafür, liebe Doris.

In Budapest begann ich auch, Reisebetrachtungen zu schreiben, denn ich wollte die Veränderungen in meinem Bewusstsein auskristallisieren und fixieren. Das Elixier der Veränderung wollte ich nicht nur kosten – sondern mich auch dauerhaft verwandeln lassen.

Paweł, mit dem wir uns in Krakau anfreundeten, brachte den Gedanken auf, diese Texte zweisprachig zu veröffentlichen. Danke dir, Paweł, für diese Idee, für deine Übersetzung ins Polnische und die Kontaktaufnahme zu Wojtek und dem Austeria-Verlagshaus.

Gerade lese ich das Buch „Apeirogon“ von Colum McCann, ein locker verbundenes Kaleidoskop von Betrachtungen über Israel und Palästina. Locker verbunden und vielleicht gerade deshalb voll tiefer Erkenntnis. Eine der Hauptfiguren fährt mit einem Aufkleber auf dem Auto durch Israel und das Westjordanland: „Es ist erst vorbei, wenn wir reden!“. Damian aus Derry in Nordirland, den wir auf unserer Reise getroffen hatten, sagte mir vor einigen Tagen: „Immerhin reden sie wieder miteinander!“, denn die wortlose Lähmung der nordirischen Regierungsgeschäfte, der wir 2022 dort begegnet sind, dauerte 2 Jahre an.

Inzwischen bin ich seit sieben Jahren auf dieser Reise, in unser Europa, das von immer neuen Zerwürfnissen ergriffen wird. Ich habe das Gefühl, in einer zersplitternden Wirklichkeit voller Widersprüche zu leben. Widersprüche, die sich nicht lösen lassen. Können sie trotzdem heilen? Ich will daran glauben, dass es über den vielen unvereinbaren Versatzstücken ein Gesamtbild geben kann, das sich dagegen behauptet. Das ist das Ziel. In diese Utopie hinein bin ich auf meiner Verbindungsreise in das geeinte Europa. Liebe Katarina, ich danke dir für dein Geleitwort zu diesem Buch und für den Gedanken, dass diese Reisen nur eine einzige Reise sind.

Danke den vielen Menschen im Osten des Westens, die mich an ihrer Welt teilhaben lassen! Manche davon gehören auch zu den Unterstützer*innen dieses Buches, zu den Menschen aus der europäischen Zivilgesellschaft, die meine Usien-Zeichnungen gekauft haben, und damit die Veröffentlichung meiner Reisebetrachtungen ermöglicht haben.

Danke auch meinem heimatlichen Bundesland Rheinland-Pfalz für das Interesse und die anhaltende Unterstützung für meinen „Osten des Westen“.

Stefan Budian, Mainz, den 16. März 2024