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text:tirana_23 [2024/06/13 20:01]
admin [Die Zivilgesellschaft in Albanien]
text:tirana_23 [2024/06/13 20:03]
admin [Die Freiheit der Medien in Albanien]
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 //22. September, Tirana (Innospace)// //22. September, Tirana (Innospace)//
  
-Am letzten Tag vor der Abreise erfahren wir doch noch von einem sehr gelungenen Projekt aus der Zivilgesellschaft. Olsi Nica von ECO Albania beschreibt unswie es gelang den Fluss Vjosa davor zu bewahren, durch 45 Staudämme aus dem längsten frei fließenden Fluß Europas in ein weiteres gezähmtes und artenarmes Gewässer verwandelt zu werden. Die geplanten Staudämme hätten nicht sehr viel Strom produziert. Der Bedarf Albaniens ist ohnehin gering, aber die Ressourcen für erneuerbare Energien reich. In einem Land mit 300 Sonnentage ist die Solarkraft bisher wenig ausgebaut denn mit großen Bauprojekten lässt sich mehr Geld bewegen und verdienen. Darum ging es bei den zu bauenden Staudämmen eigentlich, nicht um Energie oder sonst einen Nutzen für die Gesellschaft. Eine Bürgerbewegung konnte die Staudämme verhindern, weil sie sinnlos und schädlich für die Natur und die Gesellschaft waren. Das ist sehr bemerkenswert in Albanien, denn im Interesse der korrupten Strukturen des Landes waren diese Projekte ja sehr wohl. Olsi Nica sagt, er habe kein Patentrezept, liste aber gerne wenigstens die Zutaten für den Erfolg dieser Kampagne auf:+Am letzten Tag vor der Abreise erfahren wir doch noch von einem sehr gelungenen Projekt aus der Zivilgesellschaft. Olsi Nica von ECO Albania beschreibt uns wie es gelangden Fluss Vjosa davor zu bewahren, durch 45 Staudämme aus dem längsten frei fließenden Fluss Europas in ein weiteres gezähmtes und artenarmes Gewässer verwandelt zu werden. Die geplanten Staudämme hätten nicht sehr viel Strom produziert. Der Bedarf Albaniens ist ohnehin gering, aber die Ressourcen für erneuerbare Energien reich. In einem Land mit 300 Sonnentagen ist die Solarkraft bisher wenig ausgebaut – denn mit großen Bauprojekten lässt sich mehr Geld bewegen und verdienen. Darum ging es bei den zu bauenden Staudämmen eigentlich, nicht um Energie oder sonst einen Nutzen für die Gesellschaft. Eine Bürgerbewegung konnte die Staudämme verhindern, weil sie sinnlos und schädlich für die Natur und die Gesellschaft waren. Das ist sehr bemerkenswert in Albanien, denn im Interesse der korrupten Strukturen des Landes waren diese Projekte ja sehr wohl. Olsi Nica sagt, er habe kein Patentrezept, liste aber gerne wenigstens die Zutaten für den Erfolg dieser Kampagne auf:
  
 {{ :logbuch:tirana:2023_albanien_53.jpg?400 |}} {{ :logbuch:tirana:2023_albanien_53.jpg?400 |}}
  
-  * Sammlung der Daten. Es wurde nachgewiesen, wie groß der Artenreichtum des Flusses ist und dass der Bau der Staudämme wirtschaftlich überflüssig oder sogar schädlich für Albanien ist.+ * Sammlung der Daten. Es wurde nachgewiesen, wie groß der Artenreichtum des Flusses ist und dass der Bau der Staudämme wirtschaftlich überflüssig oder sogar schädlich für Albanien ist.
   * Diese Daten wurden über viele Kanäle in Albanien und im Ausland kommuniziert.   * Diese Daten wurden über viele Kanäle in Albanien und im Ausland kommuniziert.
   * Viele internationale Forscher*innen schlossen sich dem Projekt an.   * Viele internationale Forscher*innen schlossen sich dem Projekt an.
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   * Es gab Medienunterstützung durch eine umfassende Pressearbeit.   * Es gab Medienunterstützung durch eine umfassende Pressearbeit.
  
-Heute setzen Anwälte und ein Management das Projekt fort. Sie werden den errungenen „Nationalpark des Flusses Vjosa“ zu einer seriösen und greifbaren Wirklichkeit machen.+Heute setzen Anwält*innen und ein Management das Projekt fort. Sie werden den errungenen „Nationalpark des Flusses Vjosa“ zu einer seriösen und greifbaren Wirklichkeit machen.
 Nebenbei ist in vielen Kooperationen eine europaweite Vernetzung von Forscher*innen entstanden, die weiterhin Bestand haben wird. Inzwischen setzt sich der albanische Staat an die Spitze derer, die diesen wunderbaren Nationalpark angeblich schon immer gewollt und angestoßen haben. In Wirklichkeit konnten die Regierung und die Industrie von der Zivilgesellschaft zum Umdenken gezwungen werden, und darin liegt ein Moment der Hoffnung für die Menschen in Albanien. Auch wenn es anscheinend völlig einsam ist, dieses Vorbild. Nebenbei ist in vielen Kooperationen eine europaweite Vernetzung von Forscher*innen entstanden, die weiterhin Bestand haben wird. Inzwischen setzt sich der albanische Staat an die Spitze derer, die diesen wunderbaren Nationalpark angeblich schon immer gewollt und angestoßen haben. In Wirklichkeit konnten die Regierung und die Industrie von der Zivilgesellschaft zum Umdenken gezwungen werden, und darin liegt ein Moment der Hoffnung für die Menschen in Albanien. Auch wenn es anscheinend völlig einsam ist, dieses Vorbild.
  
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 //22. September, Tirana (Innospace)// //22. September, Tirana (Innospace)//
  
-Besar Likmeta von BIRN Albania, einer NGO die sich auf investigative Berichterstattung und Medienbeobachtung spezialisiert hat, breitet zum Abschluss ein düsteres Bild der Realitäten in Albanien vor uns aus.+Besar Likmeta von BIRN Albania, einer NGOdie sich auf investigative Berichterstattung und Medienbeobachtung spezialisiert hat, breitet zum Abschluss ein düsteres Bild der Realitäten in Albanien vor uns aus.
  
 Zwar gäbe es Gesetze zum Schutz der Pressefreiheit, doch würden sie nicht beachtet. Journalist*innen, die zum Problem werden, verlören ihren Job und eventuell ihre Familien den ihren gleich mit. Wirksame Hilfe bekämen sie keine, von keiner Seite, auch nicht den Kolleg*innen oder der Zivilgesellschaft.  Zwar gäbe es Gesetze zum Schutz der Pressefreiheit, doch würden sie nicht beachtet. Journalist*innen, die zum Problem werden, verlören ihren Job und eventuell ihre Familien den ihren gleich mit. Wirksame Hilfe bekämen sie keine, von keiner Seite, auch nicht den Kolleg*innen oder der Zivilgesellschaft. 
  
-Die scheinbar vielfältigen Medien seien in Wirklichkeit bei zwei Oligarchen-Familien monopolisiert. Berichtet wird das, was Geld bringt oder die Interessen der Oligarchen anders unterstützt. Die boomenden Online-Medien seien da, wo sie Bedeutung haben, noch schlimmer. Vielleicht kontrolliere Meta (Facebook und Instagram) in Dublin manche Netzeinträge auf Falschmeldungen und Hatespeach aber kaum jemand dort spräche Albanisch. Selbst wenn etwas Albanisches gelöscht würde, dauere das viel zu lange. Inhalte aus Trollfabriken dominierten deshalb ungehindert die sozialen Medien in Albanien. +Die scheinbar vielfältigen Medien seien in Wirklichkeit bei zwei Oligarchen-Familien monopolisiert. Berichtet wird das, was Geld bringt oder die Interessen der Oligarchen anders unterstützt. Die boomenden Online-Medien seien da, wo sie Bedeutung haben, noch schlimmer. Vielleicht kontrolliere Meta (Facebook und Instagram) in Dublin manche Netzeinträge auf Falschmeldungen und Hatespeach – aber kaum jemand dort spräche Albanisch. Selbst wenn etwas Albanisches gelöscht würde, dauere das viel zu lange. Inhalte aus Trollfabriken dominierten deshalb ungehindert die sozialen Medien in Albanien. 
  
 Die Öffentlichkeit sei keine freien Medien gewöhnt, im Kommunismus waren die Medien ein reines Propaganda-Instrument. Das seien sie auch heute noch, aber aus Unerfahrenheit bemerkten das nur wenige. Zum Beispiel, dass es zu heiklen Themen keine journalistischen Berichte gäbe, sondern nur über alle Plattformen hinweg gleich-lautende PR-Produkte.  Die Öffentlichkeit sei keine freien Medien gewöhnt, im Kommunismus waren die Medien ein reines Propaganda-Instrument. Das seien sie auch heute noch, aber aus Unerfahrenheit bemerkten das nur wenige. Zum Beispiel, dass es zu heiklen Themen keine journalistischen Berichte gäbe, sondern nur über alle Plattformen hinweg gleich-lautende PR-Produkte. 
  
-Der Premierminister Rama hat auf einer Pressekonferenz einem Journalisten die Umerziehung angedroht, aber das sei in Albanien kein Skandal, nur ausserhalb. Wenn überhaupt, denn ausländischen Medien interessierten sich nicht für Albanien, weswegen sie auch kein Gegengewicht bilden könnten. +Der Premierminister Rama hat auf einer Pressekonferenz einem Journalisten die Umerziehung angedroht, aber das sei in Albanien kein Skandal, nur außerhalb. Wenn überhaupt, denn ausländische Medien interessierten sich nicht für Albanien, weswegen sie auch kein Gegengewicht bilden könnten. 
  
-Zwar schrieben die EU-Delegationen Berichte über den Angleichungsprozess der albanischen Gesetzgebung an EU-Normen, aber sie berichteten nicht über die Umsetzung dieser Gesetze. Immerhin: als die Regierung versucht hatte, „ethische“ Richtlinien für den Journalismus (wie in Polen oder Ungarn) zu erlassen, sei das über die Anrufung der Venedig-Kommission des Europarates verhindert worden. +Zwar schrieben die EU-Delegationen Berichte über den Angleichungsprozess der albanischen Gesetzgebung an EU-Normen, aber sie berichteten nicht über die Umsetzung dieser Gesetze. Immerhin: Als die Regierung versucht hatte, „ethische“ Richtlinien für den Journalismus (wie in Polen oder Ungarn) zu erlassen, sei das über die Anrufung der Venedig-Kommission des Europarates verhindert worden. 
  
-Aber das Argument, dass durch die Justizreform den Gesetzen vielleicht zukünftig mehr Geltung verschafft werden würde, lässt der Journalist nicht gelten. Man habe bis vor einigen Jahren geglaubt, dass Albanien gute Journalisten hätte, aber schlechte Strukturen. Man wähnte sich in einer Übergangszeit vom totalitären Staat hin zur Demokratie. Aber heute sei klar, dass die Krebszellen überall sitzen und ausstreuten. Man könne den Patienten nicht an einer Stelle heilen und hoffen, die anderen würden dann später gesunden. Die Gesellschaft befände sich in einem Übergang, aber nicht zur Demokratie, sondern zur Oligarchie. Auch wenn die europäischen Staaten und Regierungen versuchen würden, das anders zu verkaufen. +Aber das Argument, dass durch die Justizreform den Gesetzen vielleicht zukünftig mehr Geltung verschafft werden würde, lässt der Journalist nicht gelten. Man habe bis vor einigen Jahren geglaubt, dass Albanien gute Journalist*innen hätte, aber schlechte Strukturen. Man wähnte sich in einer Übergangszeit vom totalitären Staat hin zur Demokratie. Aber heute sei klar, dass die Krebszellen überall sitzen und ausstreuten. Man könne den Patienten nicht an einer Stelle heilen und hoffen, die anderen würden dann später gesunden. Die Gesellschaft befände sich in einem Übergang, aber nicht zur Demokratie, sondern zur Oligarchie. Auch wenn die europäischen Staaten und Regierungen versuchen würden, das anders zu verkaufen. 
  
 „Ob es denn nicht doch noch irgendwo die Möglichkeit von Lichtblicken gäbe?“ versuchen wir es aus der Reisegruppe heraus mit einigen Fragen. Seine Antwort ist jeweils kurz: „Nein“. „Ob es denn nicht doch noch irgendwo die Möglichkeit von Lichtblicken gäbe?“ versuchen wir es aus der Reisegruppe heraus mit einigen Fragen. Seine Antwort ist jeweils kurz: „Nein“.
text/tirana_23.txt · Zuletzt geändert: 2024/06/13 20:05 von admin